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Geometrie der Töne |
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Einführendes Arbeitsdossier für Lernende als pdf, 3.7 MB |
Intervalle am Monochord | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In der Antike (Pythagoras) und im Mittelalter wurde das Monochord verwendet, um die musikalischen Tonintervalle in Zusammenhang mit einfachen Zahlverhältnissen von Saitenlängen zu bringen. Einen guten Überblick dazu bietet diese Seite. | Link zu einem Monochordbausatz-Angebot mit sehr guter Klangqualität |
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13-saitiges Monochord (eingestellt ist eine chromatische, gleichförmig gestimmte Skala) |
Einfache Zahlverhältnisse am Monochord (Quelle hier) |
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Grundlage: Halbierung der Grundsaite lässt die Oktave zum Grundton erklingen; zur Oktave gehört also das Saitenlängenverhältnis 1:2.
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Seit der Antike versuchte man nun, ausgehend von diesen Grundintervallen ein Tonleitersystem aufzubauen, das sich nach einer Oktave wiederholt. Dabei tritt folgende grundlegende Schwierigkeit auf: Der Grund dafür ist einfach: Wir starten mit einem Grundton, z.B. c. Dieser habe die Frequenz 1f. Nun erzeugen wir die Quinte dazu (g). Dazu multiplizieren wir die Frequenz f mit dem Bruch 3/2. Zu dieser Quinte erzeugen wir erneut die Quinte: erneute Multiplikation mit 3/2, also insgesamt Multiplikation von f mit (3/2)2 . Damit haben wir jedoch bereits die erste Oktave überschritten. Wir re-oktavieren deshalb diesen neuen Ton (d'), indem wir seine Frequenz halbieren (mit 1/2 multiplizieren). Nun haben wir einen Ton (d) innerhalb der ersten Oktave gewonnen. So fahren wir weiter und erzeugen laufend neue Quinten, die wir bei Bedarf in die erste Oktave re-oktavieren. Wir behaupten: Dieses Verfahren hört nie auf, d.h. es entstehen unbegrenzt viele neue Töne. Wir erhalten nie ein Tonleitersystem mit einer endlichen Anzahl von Tönen. Beweis: Das Verfahren würde aufhören, wenn wir irgendwann (nach dem Erzeugen von x neuen Quinten und y Reoktavierungen) wieder beim Startton mit Grundfrequenz 1⋅f landeten. Dies würde bedeuten: (3/2)x⋅ (1/2)y = 1 oder 3x = 2x+y. Dies ist jedoch mit ganzzahligen x und y unmöglich, denn eine reine Dreierpotenz (links) kann nicht zugleich eine reine Zweierpotenz (rechts) sein. Also wird unser Vorgehen via reine Quinten und Reoktavierung unbegrenzt neue Töne erzeugen. Wir erhalten keine Tonleiter mit einer endlichen Anzahl von Tönen. Diese mathematisch erzwungene Abkehr vom Ideal reiner Quintensysteme führte nun im Laufe der Musikgeschichte zu den verschiedensten Varianten von Tonsystemen. |
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Schwingungen einer Stimmgabel |
Geogebra-ModellGeogebra-Modell Die Zinken einer Stimmgabel schwingen nahezu harmonisch. Befestigt man an einer Zinke einen Stahlstift und lässt die Gabel über eine berusste Glasplatte laufen, entsteht eine Zeitdarstellung der Auslenkungen. Das Geogebramodell imitiert diesen Vorgang in Zeitlupe. Es entsteht das Bild einer Sinusfunktion. |
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Töne und Intervalle |
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Gegeben ist eine Menge von Tönen: T = {..., c, d, e, f, ...} (der "Tonvorrat" unseres Musiksystems). v > 1: Aufwärtsintervall. v < 1: Abwärtsintervall, v = 1: Prim, Addition von Intervallen: Satz: Zu (x,y) gehöre das Frequenzverhältnis v, zu (y,z) das Frequenzverhältnis w. Der Addition zweier Intervalle entspricht die Multiplikation ihrer Frequenzverhältnisse. Beispiel: Quint + Quart = Oktave ↔ (3/2)⋅ (4/3) = (2/1). Das Frequenzverhältnis v eines Intervalls widerspiegelt die physikalische Ebene. Jedem Intervall i lässt sich aber auf der Hör-Ebene (der "Empfindungsebene") auch eine Grösse in Oktaveinheiten O zuordnen, das Oktavmass des Intervalls i: |
Das Oktavmass sagt aus, "wieviele Oktaven gross" das Intervall ist: Beispiele: Prim: 0 O, Oktave: 1 O, Doppeloktave: 2 O. Zusammenhang zwischen dem Oktavmass und dem Frequenzverhältnis v:
Pro Oktavschritt aufwärts verdoppelt sich das Frequenzverhältnis. Die Anzahl Oktavschritte eines Intervalls ist gleich lb(v). Beispiel: Quinte: v = 3/2, Oktavmass: lb(3/2) O ≈ 0.58496... O. (Die Quint ist also etwas mehr als eine halbe Oktave gross.) Neben dem Oktavmass O verwendet man noch eine kleinere Einheit: "Cent" (ct): 1 O = 1200 ct. (Der Klavierhalbton der gleichstufigen Stimmung hat dann 100 ct.) Beispiel: Quinte: 0.58496... O ≈ 701.955 ct. (Das sind etwa 7 "moderne" Halbtöne.) Intervall ↔ v ↔ lb(v) O = 1200⋅lb(v) ct |
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Darstellung rationaler Intervalle als Lissajous-Figur | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Unterwirft man einen Punkt gleichzeitig zwei senkrecht aufeinander stehenden harmonischen Schwingungen (Schwingung 1 in x-Richtung, Schwingung 2 in y-Richtung), so beschreibt der Punkt eine Lissajous-Figur. Je nach Frequenzverhältnis der beiden Schwingungen und je nach Phasenverschiebung entsteht eine andere Figur. So entstehen Bilder von musikalischen Intervallen: Oktave: 2 : 1, Quinte: 3 : 2, Quarte: 4 : 3, usw. Rechts: Modell eines mechanischen Lissajous-Zeichners: 1. Kurbelnocken Dreht man die Räder mit Frequenz a bzw. Frequenz b z.B. im Gegenuhrzeigersinn, greifen die Kurbelnocken, an denen man dreht in die Schlitze der Gleiter. Diese bewegen sich deshalb analog einer harmonischen Schwingung in x- bzw. y-Richtung. Eine Computersimulation dieses mechanischen Modells liefert natürlich exaktere Bilder, ein mechanisches Modell ist jedoch bestimmt sinnenfälliger. |
Online-Lissajous-Zeichner. Falls das Applet nicht startet, ins leere Bild klicken. |
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Lissajousfiguren: links: Prim 1:1, rechts: Oktave 2:1 (Phasenverschiebung 90°) | Links: Quarte 4:3, rechts: Quinte 3:2 (Phasenverschiebung 90°) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Darstellung von Intervallen als Halbgerade y = v⋅ x |
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Bild links: Darstellung von Intervallen als Halbgerade y = v⋅x (v, x > 0). Der Nullpunkt gehört nicht mehr zur Halbgeraden. x-Werte: Anzahl Schwingungen pro Sekunde Frequenz 1 v = Frequenzverhältnis ("Frequenz 2" / "Frequenz 1"). dunkelrot: Aufwärtsoktave 2 : 1, orange: Abwärtsoktave 1 : 2 Die Steigung ist das Frequenzverhältnis des Intervalls. Die Halbgerade
y = v⋅x |
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Intervallräume | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Aufgrund der mathematischen Tatsache, dass es kein endliches Tonsystem geben kann, das allein auf reinen Quinten und gleichzeitig auf reinen Oktaven beruht, entstanden im Lauf der Geschichte viele verschiedene Tonsysteme, welche diese "Unvollkommenheit" auf je eigene Art verarbeiteten. Die drei wichtigsten Systeme waren: -die pythagoräische Stimmung beruhend auf reinen Quinten und reinen Oktaven Intervallräume kann man auf einem Punktgitter aufbauen. |
Man startet mit einem Grundton (dieser Ton entspricht dem Intervall einer Prim mit der Verhältniszahl v = 1). In horizontaler Richtung erzeugt man nach rechts Aufwärtsoktaven (Frequenzverdoppelung, v = 2, 4, 8, usw.) und nach links Abwärtsoktaven (Frequenzhalbierung). In vertikaler Richtung erzeugt man nach oben reine Aufwärtsquinten (Multiplikation mit 3/2) und nach unten Abwärtsquinten (Division durch 3/2 bzw. Multiplikation mit 2/3). Das Punktgitter der pythagoräischen Stimmung basiert auf den beiden Grundintervallen Oktave und reine Quinte und ist zweidimensional. |
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Pythagoräischer Punktraum "reine Oktaven - reine Quinten" Man kann die Punkte dieses Raumes mit ihren "Ortsvektoren" identifizieren (Nullpunkt ist der rote Punkt mit den Koordinaten (0|0)) und hat dann eine Art "Vektorraum". Der Unterschied zu einem richtigen Vektorraum besteht darin, dass die Skalare (hier die Werte x und y) nur aus dem Ring der ganzen Zahlen stammen (und nicht aus dem Körper der rationalen oder reellen Zahlen). Eine solche Struktur wird Modul genannt (Betonung auf dem "o"). |
In der pythagoräischen Stimmung, die so entsteht, treten viele weitere Intervalle auf, z.B. des-cis. Wir berechnen unten das Frequenzverhältnis- und das Cent-Mass dieses Intervalls. Wählt man den rot gefärbten Punkt als Nullpunkt des Punktgitters mit den Koordinaten (0|0), so berechnet sich die Frequenzverhältniszahl v des Punktes (x|y) zu Der pythagoräische Tonraum ist also lediglich auf den Primzahlen 2 und 3 aufgebaut. Das Frequenzverhältnis jedes Intervalls hat die Form 2x-y⋅ 3y. Das Differenzintervall zwischen zwei Punkten hat als Frequenzverhältnismass den Quotienten der Frequenzmasse der beiden Punkte: v = v2 / v1 . Das ergibt: v(Δx,Δy) = 2Δx⋅(3/2)Δy |
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Beispiel: Intervall des-cis: Das pythagoräische Komma im Pythagoräischen Punktraum oben: |
Anmerkung Oktavmass(x,y) = (x - y)⋅lb(2) + y⋅lb(3) = (x - y) + y⋅lb(3). Das Oktavmass jedes Punktes in der pythagoräischen Stimmung entsteht somit als ganzzahlige Linearkombination von lb(2) = 1 und lb(3) und ist für y≠0 irrational. Beispiel: |
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Das Oktav-Quint-Punktgitter der pythagoräischen Stimmung Aufgaben: |
Punkt (0 | 0): Prim (z.B. c - c). Die orangen Punkte stellen Intervalle innerhalb einer einzigen Grundoktave dar (1 ≤ v < 2). Das Punktgitter ist unbegrenzt. Es entstehen immer neue Intervalle. Rechts sind hellblau die Notennamen bezogen auf den Grundton c notiert (ohne Berücksichtigung der Oktavhöhe). PK = Pythagoräisches Komma (Intervallverhältnis von c-his) Berechnung der Intervall-Verhältniszahl v aus den Punktkoordinaten (x | y): v(x,y) = 2x⋅(3/2)y = 2x-y⋅3y. Die blau eingezeichnete lineare Funktion stellt die Grenze dar zwischen Aufwärtsintervallen (v > 1) und Abwärtsintervallen (v < 1). Umkehraufgabe: Gegeben v(x,y), gesucht x und y. Infolge der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung ist diese Umkehraufgabe eindeutig lösbar. Beispiel: |
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Wichtige Intervalle der pythagoräischen Stimmung o = Oktave, q = reine Quinte 3 : 2 Im pythagoräischen Tonraum ist jedes Intervall eine Linearkombination von Oktave o und reiner Quinte q, d.h. hat die Form x⋅o + y ⋅q (x, y ganze Zahlen).
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Bemerkung: Sei t der pythagoräische Ganztonschritt 9 : 8 (t = Tonos). Dann ist t - 2 l das pythagoräische Komma. D.h. Ganztonschritt minus 2 Halbtonschritte ergeben eine kleine Differenz zum Grundton. a = t - l heisst Apotome. Es ist der "andere" Halbtonschritt. 3 t + l = q = reine Quint. |
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Weitere pythagoräische Systeme mit Quintenschichtung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Auswahl von 5 Tönen (Pentatonik): Auswahl von 7 Tönen (Heptatonik; Diatonik) mit einem anfänglichen Quintsprung abwärts: |
Aufgabe: Lösung: |
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Quint-, Terz-System (reine Stimmung) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Jedes Intervall ist eine Linearkombination x⋅o + y ⋅q + z ⋅t Aufgabe: Man bestimme die Koordinaten (x | y | z) des syntonischen Kommas. |
Hat ein Punkt im Gitter die Koordinaten (x | y | z), so ist v(x,y,z) = 2x⋅(3/2)y⋅(5/4)z. Dieses System baut auf den Primfaktoren 2, 3 und 5 auf. Tonstruktur der reinen Stimmung Kurzaufbau der reinen Stimmung: F ← C → G Unter dem folgenden Link findet man Weiteres zur reinen Stimmung (Euler-Ebene, Kommatas, Auswahl von Tonleitertönen): |
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Vergleich pythagoräische Stimmung / reine Stimmung pythagoräisch: c d e f g a h c' rein: 9/8 10/9 16/15 9/8 10/9 9/8 16/15 |
Die Struktur beider Skalen ist: Zwei Tetrachorde sind über eine Sekund miteinander verbunden. Link zu einem pdf-Artikel von Prof. Dr. Peter Galllin zur diatonischen Tonleiter |
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Mikrotonsysteme, gleichstufige Division der Oktave durch n | Quelle: Carlton Gamer, Robin Wilson: Microtones and projective planes, in: Music an Mathematics, Ed: John Fauvel, Oxford University Press, Reprint 2004, p. 149 ff. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bereits im 16. Jahrhundert befasste sich Marin Mersenne mit 19- und 31-Ton-Systemen, ebenso Christiaan Huygens. Mersenne studierte auch ein 53-Ton-System. Um 1700 herum war ein ähnliches System in China gebräuchlich. Eine gute Einführung liefert ferner: |
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Wir betrachten unser gebräuchliches, gleichstufig temperiertes 12-Ton-System (Equal Tempered System 12, ETS12). Wir betrachten die Töne "modulo 12", d.h. wir "identifizieren" c, c', c'', usw. Auch die Intervalle betrachten wir modulo 12, d.h. eine None identifizieren wir wieder mit einer Sekunde, eine Dezime mit einer Terz, usw. Wir können auch sagen: Wir reoktavieren alles in eine einzige "Grundoktave" hinein. Im ETS12 haben wir dann 12 Intervalle; Oktave und Prim werden identifiziert.
Intervalle berechnen wir als Differenzen der Tonnummern. Dabei rechnen wir modulo 12 (analog dem Rechnen mit Uhrzeiten): 2 - 5 = 9, usw. Jedes der 12 Intervalle erhält eine Grössenzahl von 0 bis 11 (0 = Prim bzw. Oktave, 1 = Halbtonschritt, usw.). |
Betrachten wir eine Transposition um 4 Intervallstufen, d.h. um 4 Halbtonschritte ("grosse Terz"): Wir addieren zu jeder Tonnummer 4 und rechnen modulo 12, d.h. z.B. 10 + 4 = 2 (analog dem Rechnen mit Uhrzeiten: Beim Überschreiten der 12 beginnen wir wieder bei 0). Aus der chromatischen Skala wählen wir nun lediglich die Töne der Durtonleiter aus (schwarz und rot gedruckt), zunächst C-Dur, nach dem Transponieren E-Dur. c cis d dis e f fis g gis a b h c' e f fis g gis a b h c cis d dis e Wir sehen folgendes: Das Intervall der Grösse 4 ("grosse Terz") kommt in der Tonmenge der C-Dur-Tonleiter oben drei Mal vor (0 --- 4, 5 --- 9, 7 --- 11). Dann kommen auch die drei Töne mit den Nummern 4, 9 und 11 in E-Dur wieder vor (die übrigen vier werden verändert: E-Dur hat vier #) . Wir finden:
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Wir suchen nun aus dem System ETSn eine Teilmenge mit folgender Eigenschaft: Wenn man alle möglichen Differenzen der Elemente dieser Teilmenge bildet (wieder modulo n gerechnet), sollen alle n Intervalle von ETSn entstehen. Aufgabe: Man finde in ETS12 eine solche Teilmenge. Lösung: Eine mögliche Lösung wäre {1, 3, 6, 7}. Mit 4 Elementen kann ich auf 4⋅3 Arten Differenzen ≠ 0 bilden, dazu kommt noch die Differenz 0. Allgemein: Mit k Elementen ergeben sich k(k - 1) + 1 Differenzen. |
Wir suchen nun Teilmengen, die beim Bilden aller möglichen Differenzen zwischen ihren Elementen alle Intervalle genau ein Mal erzeugen. Eine solche Teilmenge heisst Differenzenmenge oder besser Intervallbasismenge.
Aufgabe: Für welche natürlichen Zahlen n hat ein ETSn-System überhaupt die Chance, eine solche Basismenge zu besitzen?
Lösung: Die Bedingung lautet: k(k - 1) + 1 = n.
Unsere Teilmenge {1, 3, 6, 7} wäre eine Basismenge in ETS13. Sie würde modulo 13 jedes der 13 Intervalle genau einmal erzeugen. Weitere Beispiele für Basismengen: {0, 1, 3} oder auch {0, 4, 6} in ETS7 Bemerkung: Die Mengen {0, 1, 3} und {0, 4, 6} sind "Gegenmengen", d.h. |
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Es liegt nun nahe, die n Töne in Form von Punkten und die n Intervalle in Form von Linien zwischen den Punkten darzustellen. Das führt auf eine geometrische Darstellung, die man endliche projektive Ebene nennt. Beispiel: ETS7: 7 Töne (0, ... , 6), 7 Intervalle (0, ... , 6). Eine endliche projektive Ebene besteht aus einer endlichen Anzahl von Punkten und Für ETS7 entsteht die Fano-Ebene (rechts). {0, 1, 3} ist wieder eine erzeugende Differenzenmenge. Wir betrachten folgendes Blockschema: 0 1 2 3 4 5 6 Eine Spalte entspricht je einer Basismenge, respektive in der Fano-Ebene einer Linie. |
Fano-Ebene: 7 Punkte, 7 Linien (je anders gefärbt). Die Zahlen der drei Punkte auf einer Linie erzeugen jeweils in Form der verschiedenen Differenzen alle Intervalle von ETS7. (k - 1) ist die Ordnung der projektiven Ebene; hier ist die Ordnung also 2. Nicht jedes ETSn mit n = k(k - 1) + 1 hat eine solche projektive Darstellung. Eine solche Darstellung haben ETS7, ETS13 und ETS31, nicht aber ETS43. |
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Projektive ETS13-Ebene, k = 4, Ordnung der Ebene = 3 Man kann obiges Netz als U-Bahnnetz einer Stadt interpretieren. Die Axiome für eine endliche projektive Ebene besagen dann: |
Mikrotonales Xylofon von Harry Partch |
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Ab dem 19. Jahrhundert löste sich das musikalische Schaffen von der Fixierung auf einen Grundton. Anstelle der Beziehung zu einem Grundton trat eine Beziehung zu einer Skala oder zu einer Tonreihe. Beispiele: -Ganztonskala (von Debussy oft verwendet) |
Andere Parameter als lediglich die Frequenz eines Tones wurden wichtig: Tonfarbe, Ausdruckswert (bis hin zum Einbezug von Geräuschen), Kontrast, Variationen, usw. Analoge Lösungen von alten Bindungen finden sich z.B. auch in den bildenden Künsten und in der Literatur. |
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Welche gleichstufigen oktav-teilenden Tonsysteme kommen dem Ideal möglichst reiner Quinten nahe? | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Skalenentwicklung via reine Quinten geht so vor sich: (3/2)x⋅(1/2)y = 1 ⇔ 3x / 2x+y = 1 ⇔ 3x = 2x+y ⇔ x log(3) = (x + y) log(2) ⇔ Wir wissen, dass für ganzzahlige x und y keine Lösung existiert (eine ganzzahlige Dreierpotenz kann keine ganzzahlige Zweierpotenz sein). Wir suchen Näherungsbrüche für (x+y) / x = log(3) / log(2). x = Anzahl Tonleitertöne pro Oktave, y = Anzahl Re-Oktavierungen im Laufe des Quintenschichtungs-Algorithmus. Hier kommt das Verfahren der Kettenbruchentwicklung einer reellen Zahl zum Zug. Wir zeigen es am Beispiel log(3) / log(2) ≈ 1.58496... Als Hilfsmittel genügt ein Taschenrechner: 1.58496... = |
Setzen wir dies alles zusammen, folgt: log(3) / log(2) = 1 + 1 / (1/r1) = ... =
Werten wir diesen Kettenbruch stückweise aus, ergeben sich folgende Näherungsbrüche für log(3) / log(2): 1 2 3/2 8/5 19/12 65/41 84/53 Wir sehen, dass die übliche 12-Teilung der Oktave dem Ideal nahe kommt (12 Quinten ergeben ungefähr 7 Oktaven; Abweichung = pythagoräisches Komma ≈ 23.46 cent). Die nächsten guten Teilungen wären 41 und 53 (53 Quinten sind ungefähr 31 Oktaven; Abweichung nur noch ≈ 3.62 cent). |
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Bild links: Vergleich von drei Stimmungen an der Stellung von Monochord-Reitern. Die massgebliche Saitenlänge verläuft vom linken Steg (braun) zum Reiter (rot, blau, grün).
Oben: gleichstufig-temperierte Stimmung. Man erkennt die sehr genaue Annäherung der Quinten (700 cent) an die reine und die pythagoräische Stimmung (702.0 cent).
Mitte: reine Stimmung (reine Quinten und reine Terzen). Die reingestimmte Terz (386.3 cent) ist etwas kleiner als die gleichstufig-temperierte (400 cent).
Unten: pythagoräische Stimmung (reine Quinten). Die pythagoräische Terz (407.8 cent) ist etwas grösser als die Terz der andern beiden Stimmungen. |
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Partialtöne | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ein Ton als periodische Schwingungsfunktion ist meist keine reine Sinusschwingung, sondern kann als Überlagerung einer ganzen Menge von Partialtönen dargestellt werden. Am Klavier kann man die Partialtöne experimentell veranschaulichen. Man drückt z.B. stumm die Oktave des Grundtons (z.B. c' zum Grundton c) und lässt sie gedrückt, sodass die Saite ungedämpft schwingen kann. Dann schlägt man den Grundton kurz an. Der Ton der stumm gedrückten Saite, d.h. der 2. Partialton, wird mitschwingen. Man versuche es auch mit dem stummen Drücken des 3. Partialtons. Bemerkung: Oft spricht man vom Grundton und dem 1., 2., 3., ... Oberton. Der 1. Oberton ist der 2. Partialton, der 2. Oberton der 3. Partialton, usw. Die Nummerierung via Partialtöne passt besser zum Rechnen mit Frequenzen; der n-te Partialton hat bei einer ideal biegsamen Saite die n-fache Frequenz des Grundtons. Schwebungen: Erklingen zwei Töne, die nur leicht auseinanderliegen, hört man ein regelmässiges An- und Abschwellen, eine sogenannte Schwebung. Die Schwebungsfrequenz entspricht der Differenz der Frequenz der beiden nahe beisammen liegenden Töne. |
Sei der Kammerton a'440 gegeben. Man will das d' eine Quinte tiefer stimmen. Der 3. Partialton von d' ist a''. Aber der 2. Partialton von a' ist ebenfalls a''. Ist die Quinte rein gestimmt (3:2), werden der 3. Partialton von d' und der 2. Partialton von a' keine Schwebung erzeugen. Will man nun das d' jedoch in gleichstufiger Stimmung einrichten, so gilt folgendes: Sei y / x = pm / qn , p, q prim, p≠q, das Frequenzverhältnis eines Intervalls. Dann ist pm x = qn y , in Worten: Beispiel Quinte: 3 / 2: Der 3. Partialton des unteren Tones ist gleich dem 2. Partialton des oberen Tones. Ein Intervall wird als "konsonant" empfunden, wenn von den beiden Tönen möglichst viele Partialtöne übereinstimmen. Der Begriff der Konsonanz ist allerdings sehr kultur- und weltbildabhängig. So spielten bei Pythagoras zahlenmystische Überlegungen eine starke Rolle. |
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Einfache Versuche zu Partialtönen und Schwebungen Quelle: Berkeley Physik Kurs 3, Schwingungen und Wellen, Frank S. Crawford Jr, Vieweg, Braunschweig,Nachddruck 1979, p. 56f.
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- Ermitteln Sie auf die im letzten Versuch beschriebene Art experimentell die Partialtöne eines Tones, z.B. die ersten 6 oder 7 Partialtöne von c'. - Drücken Sie c' stumm, dann c'' scharf. Sie regen damit in der c'-Saite den Partialton c'' an. Schlagen Sie nun c'' nochmals sehr leise an, angepasst an den noch angeregten Partialton. Hören Sie Schwebungen? [Die wirkliche Klaviersaite erzeugt nicht die exakten Partialtöne der Theorie, da sie eine gewisse Starrheit besitzt.] - Schlagen Sie auf dem Klavier die beiden tiefsten Töne A27.5 und Ais29.1 sachte an. Die Schwebungsfrequenz beträgt 1.6 Hz und kann eventuell durch eine Person mit geschultem Gehör wahrgenommen werden. |
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Stehende Wellen auf einem begrenzten Wellenmedium (Saite, Pfeifenrohr) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hat der Wellenträger (Saite, Flötenrohr) eine begrenzte Länge L und wird vom einen Ende her eine Welle ausgesandt, so wird sie am andern Ende reflektiert. Eine Welle läuft durch mehrfache Reflexionen auf dem Träger hin und her. Soll das System nicht zum Stillstand kommen, dürfen sich diese hin- und herlaufenden Wellen nicht gegenseitig auslöschen. Bei bestimmten, günstigen Wellenlängen bilden sich sogenannte stehende Wellen, d.h. bestimmte Stellen des Wellenträgers bewegen sich überhaupt nicht mehr (Bewegungsknoten) und andere Stellen schwingen sehr heftig (Bewegungsbäuche). Dies geschieht, wenn Wellen und reflektierte Wellen an den Rändern des Wellenträgers genau aufeinander passen. Zwei Bewegungsknoten haben dann den Abstand einer halben Wellenlänge der hin und her laufenden Welle. Bei Schallröhren befinden sich an den geschlossenen Enden stets Stellen ohne Bewegung (Bewegungsknoten) und an den offenen Enden Stellen mit maximaler Bewegung (Bewegungsbäuche). Mit dem Luftdruck ist es umgekehrt: An den geschlossenen Enden ist der Druck hoch, an den offenen niedrig. Geogebra-Modell von Welle und reflektierter Welle und der Überlagerung beider Wellen. Rechts oben: Beidseits geschlossene Vorrichtung. Rohrlänge = halbe Wellenlänge der laufenden Schallwelle. Berechnungsbeispiel: Wie gross sind eine offene und eine gedackte Orgelpfeife mit dem Ton A 55 Hz? Lösung: |
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Anschaulich-heuristische Erklärung für den Zusammenhang zwischen Pfeifenlänge L und der Wellenlänge λ der abgestrahlten Schallwelle Mit einer langen Slinky-Spiralfeder können wir folgende Versuche durchführen: 1. Zwei Personen halten die Feder je an einem Ende in ca. 3 m Abstand voneinander. Eine Person hält passiv, die andere gibt einen kurzen Druckstoss ab. Der Stoss wird bei der zweiten Person (festes Ende) reflektiert und als Druckstoss zurück zur ersten Person gesandt. Dort wird bei genügend Energie der Druckstoss eventuell erneut als Druckstoss reflektiert. 2. Gleiche Anordnung, aber diesmal zieht Person 1 kurz an der Feder retour. Dieser "Zug" wird nun ebenfalls durch die Feder zu Person 2 weitergeleitet und wird dort, am festen Ende, ebenfalls als "Zug" reflektiert und kommt so als "Zug" wieder bei Person 1 an. 3. Nun simulieren wir ein offenes Ende 2. Wir lassen ein Stück von ca. 30 cm der Feder nach unten hängen. Das untere Ende ist nun offen. Von oben geben wir einen kleinen Druckimpuls ab. Am unteren Ende wird die letzte Windung nach unten beschleunigt, infolge der Massenträgheit bewegt sie sich noch mehr nach unten und erzeugt einen Zug auf die Feder, der nun zurück reflektiert wird. 4. Ein Zug würde am offenen Ende als Druck reflektiert, wie man sich gut vorstellen kann. Wir fassen zusammen: |
Nun zur heuristischen Erklärung für den Zusammenhang zwischen Pfeifenlänge L und der Wellenlänge λ der abgestrahlten Schallwelle:
1. Beide Enden geschlossen: 2. Beide Enden offen ("offene Pfeife"): 3. Rand 1 offen, Rand 2 geschlossen ("gedackte Pfeife"): |
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Resonanzversuch Ein Rohr von ca. 5 cm Durchmesser und etwas mehr als 20 cm Länge wird einseitig in ein Becken mit Wasser getaucht, sodass die untere Öffnung durch das Wasser verschlossen wird. Durch leichtes Anheben und Senken des Rohres kann die Länge der Luftsäule im Innern des Rohres variiert werden. Nun regt man eine Stimmgabel mit a' 440 Hz an und hält sie über die obere Öffnung des Rohres. Bei einer bestimmten Luftsäulenlänge wird der Ton der Stimmgabel plötzlich deutlich lauter: Die Länge der gedackten Pfeife passt nun genau zur äusseren Anregung (Resonanz). |
Berechnung des Vorgangs: Es ist c = 340 m/s, f = 440 Hz ⇒ λ = c / f ≈ 0.773 m ≈ 77.3 cm. Dies ist nach den Überlegungen oben gleich der 4-fachen Rohrlänge L. Es ergibt sich L = 19.3 cm. Das experimentelle Ergebnis weicht leicht von diesem Wert ab, da die schwingende Luftsäule etwas aus dem Rohr heraus ragt.
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